Übergabeeinschreiben / RückscheinBundesverfassungsgerichtSchloßbezirk 3 76131 Karlsruhe 02.01.2004
Beschwerde (Wahlprüfung)Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit legen wir gemäß § 48 BVerfGG Beschwerde ein gegen die vom Deutschen Bundestag am 6. November 2003 beschlossene Zurückweisung (Bundestagsdrucksache 15/1850 Anl. 47) unseres gegen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag am 22. September 2002 gerichteten Wahleinspruchs vom 19. November 2002 (Az. WP 154/02). Mit der Zurückweisung unseres Wahleinspruchs (beigefügt in Zu den in der Bundestagsdrucksache 15/1850 (vgl. "Die Vorschrift des § 6 Abs. 6 Satz 1 Bundeswahlgesetz (BWG) ist bei der Bundestagswahl 2002 zu Recht angewandt worden. Hiernach werden bei der Verteilung der Sitze der Landeslisten nur Parteien berücksichtigt, die mindestens fünf vom Hundert der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkreisen einen Sitz errungen haben. Diese Vorschrift war von den Wahlorganen als geltendes Recht anzuwenden. Die Sperrklausel ist vom Bundesverfassungsgericht stets für verfassungskonform erklärt worden. Die Sicherung der Funktionsfähigkeit der zu wählenden Volksvertretung ist ein hinreichend zwingender Grund, der Differenzierungen bei der Wahlrechtsgleichheit im System der Verhältniswahl rechtfertigt (BVerfGE 82, 322/338; vgl. zuletzt BVerfGE 95, 335/366)." Mit diesen Ausführungen gehen wir konform. An keiner Stelle unseres Wahleinspruchs haben wir Gegenteiliges behauptet, so daß die ablehnende Begründung des Bundestags jeglicher sachlicher Grundlage entbehrt und vielmehr als ein Indiz für die mangelhafte inhaltliche Rezeption unserer Eingabe zu werten ist. Auch die an anderer Stelle der Beschlußempfehlung zu lesende Aussage, die Einspruchsführer würden den Einspruch "im Wesentlichen damit [begründen], dass die 5%-Sperrklausel verfassungswidrig sei" stellt eine klare Verdrehung des Sachverhalts dar. Vielmehr akzeptieren wir in unserem Wahleinspruch ausdrücklich die Position des Bundesverfassungsgerichts zur 5%-Klausel und erkennen an, daß die hieraus resultierenden Einschränkungen einer Freiheit und Gleichheit der Wahl in einem gewissen Umfang unvermeidlich im Sinne der Verfassung sind. Wir weisen in unserem Wahleinspruch allerdings darauf hin, daß die genannten Grundrechte in einem Ausmaß verletzt worden sind, welches nicht durch eine wie auch immer geartete verfassungsrechtliche Begründung legitimiert werden kann. Folglich ist die Verletzung der Freiheit und Gleichheit der Wahl in diesem Ausmaß(!) verfassungswidrig. In unserem Wahleinspruch legen wir dar, daß eine Ungleichbehandlung der Wähler eben nicht allein aufgrund der Existenz der Sperrklausel zustande kommt, sondern daß es einen weiteren, eigenständigen Diskriminierungseffekt gibt, der isoliert zu betrachten ist und der auch isoliert gesteuert werden kann, was letzten Endes zu einer veränderten Beurteilung der Verfassungskonformität des derzeitigen Wahlrechts führen muß. Eine solche differenzierte Sichtweise gestattet es, Eingriffe in die Freiheit und Gleichheit der Wahl verfassungsrechtlich zu diskutieren, ohne dabei zwangsläufig in die festgefahrene verfassungsrechtliche Diskussion über die Existenzberechtigung bzw. angemessene Höhe des Sperrquorums einsteigen zu müssen. "Es besteht kein Anlass, im Wahlprüfungsverfahren die Überlegungen der Einspruchsführer zu einem anderen Wahlsystem zu erörtern." An dieser Stelle möchten wir betonen, daß es keinesfalls das Ziel unseres Wahleinspruchs war bzw. ist, die Implementierung eines bestimmten Wahlsystems zu erreichen. Die Präsentation eines konkreten Wahlsystems in unserem Wahleinspruch diente lediglich dem notwendigen Nachweis, daß es tatsächlich mindestens ein Wahlverfahren gibt, welches gleichzeitig den Vorgaben der Verfassung genügen würde und ebenso praktikabel wie das derzeit herrschende Wahlsystem wäre. Wir sind im übrigen der Überzeugung, daß es eine Vielzahl möglicher Wahlverfahren gibt, die dieses Kriterium erfüllen, und die Entscheidung, welches konkrete Wahlsystem innerhalb des von der Verfassung vorgegebenen Rahmens installiert werden soll, ist selbstverständlich allein dem Gesetzgeber zu überlassen. Abschließend möchten wir anmerken, daß unserer Ansicht nach der Berichterstatter Jerzy Montag, der laut Bericht des Wahlprüfungsausschusses für die Behandlung unseres Wahleinspruchs allein verantwortlich zeichnet, in der Sache wohl kaum als unvoreingenommen gelten kann, da er in der Vergangenheit die verfassungswidrigen Mängel des Wahlsystems selber ausgenutzt hat, um mit psychologischen Druckmitteln Anhänger einer kleinen Partei zur Stimmabgabe zugunsten seiner eigenen Partei zu bewegen (vgl. Anbei finden Sie die Unterschriften von 182 Wahlberechtigten, die uns zur Unterstützung unserer Beschwerde im Sinne des § 48 BVerfGG Abs. 2 beigetreten sind ( Mit freundlichen Grüßen Braunschweig, 2. Januar 2004 Unterschriften der Beschwerdeführer Anlagen: |